foodporn
wanderlust

LURRA - Glut und Begegnung

Read Time: 2 min   ·   16. Mai 2025

LURRA°: Fine Dining in Kyoto – mit Rosé aus dem Burgenland und Glut aus Japan

Es gibt Orte, die einem nicht nur in Erinnerung bleiben, sondern sich tief ins kulinarische Gedächtnis eingraben. LURRA° in Kyoto ist so ein Ort. Versteckt in einem 120 Jahre alten Machiya im traditionsreichen Viertel Higashiyama, bietet dieses Restaurant ein Erlebnis, das sich jeder Beschreibung entzieht – und dennoch will ich es versuchen.

Kaum durch die schmale Eingangstür getreten, spürt man, dass man hier nicht einfach zum Essen gekommen ist. Zehn Gäste finden an der eleganten Theke Platz, die sich wie ein stiller Halbkreis um das Herzstück des Raumes schmiegt: das offene Feuer. Es brennt nicht nur als Quelle der Hitze, sondern als spiritueller Mittelpunkt. Alles, wirklich alles, wird hier über dem offenen Holzfeuer zubereitet. Keine Gimmicks, kein Sous-vide, keine Induktion. Nur Glut, Rauch und absolute Hingabe.

Jacob Kear, der Chef, ist eine Erscheinung. Hätte ich ihn auf einem One Wheel durch die Gassen von Kyoto fahren sehen (wie er es angeblich gerne tut), ich hätte ihn für einen modernen Ronin gehalten. Still, fokussiert, mit einer inneren Ruhe, die sich auf das gesamte Setting überträgt. Er wirkt wie aus einer Netflix-Wikinger-Serie gefallen, ein stiller Krieger mit Pinzette statt Axt. Anfangs kühl, fast distanziert, scheint er sich hinter einer Wand aus Konzentration und Kontrolle zu verstecken.
Doch je länger das Feuer brennt, je tiefer der Abend voranschreitet, desto mehr scheint auch in ihm ein inneres Glühen zu erwachen.

 Am Ende des Abends, kurz vor dem letzten Gang, huscht ihm ein Lächeln über die Lippen – leise, aber ehrlich. Seine junge Crew? Charmant, offenherzig, mit wachem Blick und herzlicher Energie. Ein Ensemble, das die Strenge des Settings mit sympathischer Leichtigkeit auffängt.

Was serviert wird? Ein 12-Gänge-Menü, das saisonale Zutaten aus der Umgebung Kyotos mit Techniken und Aromen aus aller Welt verbindet. Es ist ein Fest der Erde (Lurra bedeutet im Baskischen „Erde“) und des Mondes (symbolisiert durch den Kreis ° im Namen). Fermentiertes, Eingelegtes, Reduziertes. Wild, herb, zart, süß. Der Geschmack folgt einer eigenen Dramaturgie, deren roter Faden die Textur des Rauchs ist.

LURRA° ist kompromisslos. Und genau darin liegt seine Schönheit.

Ein Sake wie ein Gedicht, ein Riesling wie ein Kontrapunkt

Dazu ein Pairing, das mehr ist als bloße Begleitung. Elegant und souverän führt es durch Europa: Ein Organic Rosé „Maskerade“ vom Gut Oggau aus dem Burgenland – ja, man reist bis nach Japan und bekommt einen österreichischen Rosé serviert, was auf amüsante Weise die Globalität der Geschmackskomposition unterstreicht.
Ein kraftvoll-eleganter Sake aus dem Jahr 2006 überrascht mit Tiefe und Anmut. Der Rotwein, ein Domaine Les Têtes Noires aus Frankreich, bringt dunkle Beeren und feine Wärme ins Spiel. Und der Riesling von der Mosel steuert mit seiner kühlen Präzision eine weitere Facette zur Komposition bei. Nie überwältigend, immer in Balance, immer mit klarem Blick auf das, was im Mittelpunkt steht: das Feuer.

Der Abend im LURRA° ist mehr als ein Dinner. Es ist ein stilles Ritual. Kein Ort für Fotos, kein Ort für Gespräche über Belangloses. Es ist ein Ort der Konzentration, der Reduktion und der großen kulinarischen Geste.

Ich habe Kyoto an diesem Abend anders erlebt. Erdiger, tiefer, elementarer. So wie man sich vielleicht einmal in seinem Leben fühlt, wenn alles zusammenpasst: Holz, Flamme, Geschmack und Stille.

Zum Dessert wird der Kreis dann im wahrsten Sinne des Wortes geschlossen: Man setzt sich gemeinsam mit den anderen Gästen an einen runden Tisch, teilt nicht nur den letzten Gang, sondern auch Geschichten, Länder, Leben.

Plötzlich spricht man mit Fremden, die für einen Moment zu Mitreisenden werden. Und LURRA° wird vom Ritual zur Erinnerung.

LURRA° ist kein Ort, den man einfach besucht – man verliert sich darin, im Rauch, im Rhythmus und in einem Moment, der bleibt.

Alexandra Gattereder

(ALX) FAZIT

Wer das LURRA° besucht, betritt einen Raum der Reduktion, der Konzentration und der leisen Perfektion. Zwischen Rauch, Rhythmus und Ritual entsteht ein Erlebnis, das weit über die Küche hinausgeht. Es ist ein Ort für Feinschmecker, Ästheten und stille Entdecker. Wer sich auf das Feuer einlässt, wird Kyoto neu erfahren – und vielleicht auch sich selbst.

LURRA°
396 Sekisenincho, Higashiyama Ward, Kyoto, 605-0021, Japan
Google Maps
www.instagram.com/lurra_kyoto/?hl=de